Von rosaroten Brillen, Durchhalteparolen und der Ohnmacht der Worte
Veröffentlicht am 20.02.2016
Laufzeit:
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Stunden
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49
Minuten
Nach langer Wartezeit haben wir es wieder einmal geschafft: Meine Eltern sind zu Gast. Nicht nur im Podcast, sondern sie waren auch zu Gast bei mir in Berlin. Gemeinsam haben wir das Museum in der Kulturbrauerei besucht und das zum Anlass genommen, über die Allgegenwart der Propaganda in der DDR zu sprechen. Wie haben die Parolen der SED das Leben der Menschen beeinflusst und drangen die Botschaften überhaupt ins Bewusstsein des "neuen sozialistischen Menschen"? Diese Fragen besprechen wir in dieser Episode und freuen uns wie immer über Eure Ergänzungen und Kommentare!
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Moderation Zu Gast
Noch ein paar Gedanken zu dieser wieder sehr interessanten Folge: Der Begriff Propaganda wurde auch von der SED verwendet, zB. Funktionäre für Agitation und Propaganda der FDJ und SED kurz AgitProp. Dieses Wort ist vielleicht deinen Eltern auch ein Begriff.
Ich habe irgendwo sogar gelesen, dass man sich in DDR-Zeitschriften über so manch übertriebene Losung lustig gemacht hatte, welche sich auf betrieblicher Ebene in vorauseilendem Gehorsam ausgedacht wurden. Es war entweder im Eulenspiegel oder in der Wochenpost, habe aber momentan kein Beispiel.
Bemerkenswert ist auch die weithin bekannte Losung “Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!” wurde sie doch ab Mitte der Achtziger Jahre für die SED zum Bumerang, da die Reformpolitik Gorbatschows bei Honecker überhaupt keinen Gefallen fand und eine Nachahmung nicht angedacht war. Aus diesem Zusammenhang entstand auch das legendäre Zitat Kurt Hagers.„Würden Sie, nebenbei gesagt, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?“ Diese Parole, welche dem DDR-Bürger jahrzehntelang ins Gehirn gehämmert wurde, sollte nun auf einmal nicht mehr gültig sein?!
In der Wendezeit entstanden durch eine unendliche Kreativität der Demonstranten zahlreiche Losungen und Sprüche welche treffend den Zeitgeist und die damalige Situation aufs Korn nahmen, der Parolen-geübte DDR Bürger kreierte sozusagen neue, die mit der Realität wesentlich besser in Einklang zu bringen waren: “Vorschlag für den Ersten Mai: Die Führung zieht am Volk vorbei” “Stasi in die Produktion” “Kommt die DM bleiben wir, kommt sie nicht gehn wir zu ihr”.
Aber schon im ersten und einzigsten DDR-Wahlkampf gab es wieder Parolen und politische Werbung welche dem DDR-Bürger das Blaue vom Himmel herunter versprachen, man denke nur an die “blühenden Landschaften”, “Wohlstand für alle” und “keinem wird es schlechter gehen” “Aufschwung Ost”, doch nun aus einem anderen Munde und viele glaubten es.
Hallo Fred,
schöne Gedanken von Dir, danke! Ich finde auch die Slogans der Wendezeit unglaublich faszinierend in ihrer Doppeldeutigkeit und hassfreien Ironie!